PDF, ODF, OpenXML - Die Zukunft der Dokumentformate

Barrierefreies PDF ist ja eine reine Quälerei. Bevor wir uns darauf einlassen, schauen wir noch einmal über den Tellerrand. Da draußen tobt ein Kampf der Dokumentformate: ODF und OpenXML konkurrieren um die Gunst der Regierungsbehörden. Zu den Waffen, die sie auffahren, gehören auch Standardisierung und Accessibility. Ist da nicht irgendwo eine Alternative für uns drin?

Den Anfang machte die Regierung von Massachusetts im Frühjahr 2005. Es wurde beschlossen, das soeben als OASIS-Standard veröffentlichte, XML-basierte Dokumentformat ODF, Open Document Format, als den Standard der Dokumentverarbeitung in den Behörden des Staates einzuführen. Die praktische Umstellung sollte Anfang 2007 beginnen. Man wollte ein offenes Format haben, um beim Datenaustausch und bei der langfristigen Archivierung der Regierungsdokumente den bisherigen Wildwuchs abzulösen, und vor allem um nicht länger von den proprietären, mit einer bestimmten Software verbundenen Formaten abhängig zu sein.

ODF ist für OpenOffice entwickelt worden. Mit dem offenen Dokumentformat hat die Open-Source-Software es geschafft, den bisherigen Monopolisten Microsoft in die Schranken zu weisen. Weltweit springen IT-Unternehmen auf den ODF-Zug auf und implementieren das Format in ihre Software, darunter auch Größen wie IBM und Google. Zahlreiche Behörden in USA und Europa folgen dem Beispiel von Massachusetts und wollen ODF und OpenOffice einführen, oder haben es bereits getan, so die Stadt München und die VBG Verwaltungs-Berufsgenossenschaft.

Microsoft konnte sich dem Argument des offenen Standards nicht verschließen, entwickelte ebenfalls ein XML-basiertes Format für die Konvertierung seiner Officedokumente und meldete es unter dem Namen OpenXML im Dezember 2006 als ISO-Standard an. ODF war zu diesem Zeitpunkt bereits als ISO-Standard anerkannt. ISO als das oberste Standardisierungsgremium muss sich nun zwischen den Konkurrenten entscheiden, oder sich dazu durchringen, konkurrierende Standards zu verabschieden.

Um die Verwirrung komplett zu machen, kündigte auch Adobe im Januar 2007 an, demnächst das komplette PDF-Dokumentformat als ISO-Standard anmelden zu wollen. Ein Teil des Formats, die PDF-Druckvorstufe, ist seit 2001 als ISO-Standard anerkannt, und seitdem gibt es jede Menge preiswerte Tools, mit denen Office-Dokumente im PDF-Format abgespeichert werden können. Seitdem spielt PDF eine Rolle als Quasi-Standard für die Weitergabe von Dokumenten. Diesen Status will Adobe sichern, und darüber hinaus weiteres Land gewinnen. Seit 2005 gibt es das PDF-Archivformat als ISO-Standard, ohne dass der Markt bisher schon darauf angesprungen wäre. Der aktuelle Erfolg von ODF durchkreuzt Adobes Pläne.

PDF, ODF, OpenXML - da braut sich also ein Showdown zusammen, den man erst mal abwarten möchte. Vielleicht gibt es ja am Ende ein universelles Dokumentformat, mit dem man seine Arbeitsprozesse neu ausrichten kann. Wer an barrierefreien Dokumenten interessiert ist, kann sich aber schon heute an WCAG 2.0 orientieren. Es gibt zwar noch keine technischen Regeln für Dokumentformate außerhalb von HTML, aber die Richtlinie selbst ist so allgemein formuliert, dass man sie auf andere Formate übertragen kann. In WCAG 2.0 gibt es so grundlegende Prinzipien wie die Trennung von Inhalt und Form und die Strukturierung des Inhalts. Dokumentformate, die dies ermöglichen, sind besser auf Barrierefreiheit vorbereitet. Um es vorweg zu sagen: ODF ist auf diesem Weg bisher am weitesten.

Accessibility-Argumente spielen im Kampf der Giganten eine große Rolle, zumindest für die Publicity. So konnte Microsoft den Siegeszug von ODF kurzfristig blockieren, indem es vorbrachte, dass seine Office-Software gut mit Blindenhilfsmitteln bedienbar ist, während OpenOffice hier noch zurücksteht. Der Weg für ODF in Massachusetts wurde erst wieder frei, nachdem die Open-Source-Community ein ODF-Plugin für Word entwickelt hatte. Dann war OASIS am Zuge und veröffentlichte das ODF-Format in Version 1.1 mit Erweiterungen zur barrierefreien Nutzung, die sich an WCAG orientieren und eine Konvertierung von ODF-Dokumenten in das barrierefreie Hörbuchformat DAISY erleichtern sollen. Wenn die Rücksicht auf die Behinderten derart die Technik voran bringt, ist es ja gut.

Zur Kategorie der Accessibility-Features gehören auch die Strukturtags in PDF. In diesem Fall denkt man aber eher an Oberflächenkosmetik. An sich sind Strukturtags eine grundlegende Eigenschaft von Dokumenten, und bringen bei konsequenter Nutzung einen großen Gewinn für die Arbeitseffizienz. PDF aber ist ein Format am Ende der Produktionskette, ursprünglich für die Druckausgabe entwickelt, basierend auf dem Druckertreiber Postscript. Beim Drucken braucht man genaue Maßangaben, aber nicht unbedingt Strukturtags. So ist es kein Wunder, dass die Strukturtags in PDFs immer noch wie aufgepfropft wirken. Seit ihrer Einführung im Jahr 2001 wurden sie nicht genutzt, außer in speziellen Aufbereitungen von PDFs für Blinde.

Ob jemals ein allgemeiner Bedarf an Strukturtags in PDFs aufkommen wird, ist im Moment nicht absehbar. Wohl hat Adobe große Pläne und möchte PDF als Archivformat etablieren. In diesem Zusammenhang hätten Strukturtags einen breiteren Einsatz, denn sie sorgen für eine bessere Konvertierung von PDFs in andere Formate. Aber der Markt sagt njet. PDFs werden für die unveränderte Weitergabe von Dokumenten genutzt, während man Archivdateien lieber gleich in dem Autorenformat belässt, in dem sie erstellt wurden.

Vielleicht wird es ja eines Tages üblich, ODF-Dokumente zum Download zu stellen. Bis dahin bleibt uns nicht viel anderes übrig, als PDFs aufwendig barrierefrei zu machen. Aber es gibt Licht am Ende des Tunnels: OpenOffice bietet erste Ansätze für eine barrierefreie Produktionskette mit ODF und PDF. Eine Ausgabe als getaggtes PDF ist hier fest etabliert, und funktioniert auch einigermaßen zuverlässig bei wenig komplexen Dokumenten. Wer außerhalb dieses engen Rahmens arbeitet, muss PDFs immer noch mit der Acrobat Professional Software unter Windows kontrollieren und in den meisten Fällen auch nachbearbeiten.

Referenzen

Eine Reaktion zu “PDF, ODF, OpenXML - Die Zukunft der Dokumentformate”

  1. Tomas Andersson

    Die Links hier sind total klasse und hilfreich, vielen Dank dafür und bis bald.

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